Eine Welt ohne Insektensterben in der ARD

Stoppt den Insektenschwund, sonst fällt die Ernte von Obst und Gemüse bald mager aus! Selbst kleine Projekte helfen, wie Wildbienen auf dem Golfplatz.

Wenn der Mann mit dem rötlichen Bart mit seinem weißen Netzkescher durch das Gras auf dem Gelände des Golfplatzes Memmingen-Gut Westerhart streift, sieht er aus wie ein kleiner Junge, der Heuschrecken fangen möchte.

Doch Stefan Hopfenmüller ist Biologe und Wildbienenspezialist an der Ulmer Universität. Im Rahmen des Projektes „Golf & Natur“, das vor 15 Jahren vom Deutschen Golfverband ins Leben gerufen wurde, fängt er wilde Bienen, bestimmt und katalogisiert sie. „Einige seltene Arten habe ich bereits entdeckt, aber ich bin mit meiner Arbeit auf dem Golfplatz Memmingen noch lange nicht fertig“, sagt der Experte. Gleiches gilt für das Kamerateam des Bayerischen Rundfunks, das, angelockt durch Hopfenmüllers Arbeit, sich ebenfalls für das „Gewumsel“ auf dem Golfplatz interessiert.

In der ARD-Themenwoche

Das TV-Team ist auch mit von der Partie, als Dr. Hans-Martin Steiger, Vorsitzender des Memminger Imkervereins, mit seinem Imkerfreund, Fritz Aldinger, zwei Bienenkasten auf einer Streuobstwiese des Golfclubs aufstellt. Die Neuansiedlung ist notwendig geworden, da dreiste Diebe vor Monaten eines von mehreren Bienenvölkern, die auf dem 18-Loch-Golfplatz heimisch waren, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gestohlen haben.

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Ob der Schleiereulen-Nistkasten, die Insektenhotels und die anderen „Wohnungen“ für verschiedene Vogelarten, die auf dem weitläufigen Clubgelände aufgehängt wurden, im Beitrag gezeigt werden, bleibt abzuwarten. Golf und Natur, wie passt das zusammen? „Sehr gut“, sagt Christian Montén, Manager des Golfclubs Memmingen Gut Westerhart. Das Engagement der Golfclubs in Sachen Natur verdiene mehr Aufmerksamkeit, sagt Montén. „Schließlich arbeiten Naturschuützer und Golfplatzbetreiber Hand in Hand und nutzen das große Potenzial, das Golfplätze für den Artenschutz bieten. Biodiversität auf Golfanlagen hat großes Potenzial.“ Wer sich davon überzeugen wolle, sei willkommen. „Anruf genügt“, sagt der Clubmanager.

 

Betrachtet man alte Fotos von Gut Westerhart, so sieht man, warum die Betreiber und Mitglieder des Golfclubs so stolz auf ihren Platz sind. Wo einst Mais angebaut und Ackerbau betrieben wurde, kein Baum Schatten spendete, keine Blume stand, grünt und blüht es heute. Am Rande der 18 Spielbahnen ist ein reizvolles Mosaik aus Blumen, Büschen, Sträuchern, Magerwiesen und kleinen Wäldchen entstanden.
Bartnelken, Margeriten, Lupinen, Glockenblumen, gelber Hornklee und roter Klee, Stauden sowie Gräser bilden von Frühjahr bis Herbst ein buntes, artenreiches Blumenmeer. Da nur noch wenig gemäht wird, summt und schwirrt es mächtig. Versteckt, irgendwo auf einer Magerwiese, hat sich Knaben- kraut, eine Orchideenart, angesie- delt. „Fast alle Arten des Knabenkrauts stehen auf der Roten Liste und sind teilweise im Bestand stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht“, sagt Ehrenpräsident Hermann Kutter, der mit seiner Firma am Bau mehrerer Golfplätze im Allgäu beteiligt war.

Gesäumt wird diese Blütenpracht von unzähligen wertvollen, heimischen Landschaftsgehölzen wie Ahorn, Eichen, Linden, Ebereschen und Hainbuchen. Außerdem stehen zahlreiche Apfel-, Birnen- und Zwetschgenbäume auf dem knapp
75 Hektar großen Areal des Golfclubs. Darunter auch Obstbäume, die es nur noch selten gibt. In einem Baum nistet ein Rotmilan-Pärchen. In den Teichen blühen Seerosen, ziehen Karpfen ihre Bahnen – und abends laden Frösche zum Quak-Konzert ein.

„Vielfältiges Leben“

„Ein wichtiges Element unserer Arbeit ist die Pflege von Biotopen und der Erhalt von Lebensräumen für Bienen und andere Nutztiere“, sagt Kutter. „Die Befürchtung vieler damaliger Naturschu¨tzer, der Golfplatz Memmingen könnte eine grün angestrichene Betondecke werden, hat sich nicht erfüllt“, sagt der Ehrenpräsident. „Bei uns herrscht vielfältiges Leben. Wir schätzen und schützen die Natur, denn ohne sie macht ein Golfplatz keinen Sinn.“

Übrigens: In Deutschland gibt es noch mehr als 550 Wildbienenarten. Der Biologe mit dem roten Bart hat also ganz offensichtlich noch viel Arbeit vor sich. - Text von Jürgen Rasemann

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